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Von Silvia Eiblmayr.

THE BLACK FILE

Sanja Iveković: Porträt und Performance

Über die kroatische Künstlerin Sanja Iveković, die dieses Jahr unter anderem auf der ­documenta 12 in Kassel vertreten sein wird.



Das künstlerische Projekt von Sanja Iveković bewegt sich seit seinen Anfängen in jenem Feld von unterschiedlichen „Politiken der Performance“, die die Theoretikerin Peggy Phelan als Strategien für eine Kritik an der Ideologie des Sichtbaren anführt: „Indem die Performance als Repräsentation ohne Reproduktion definiert werden kann“, schreibt sie, „kann sie als Modell für eine andere Ökonomie der Repräsentation gesehen werden, eine, in der die Reproduk­tion des Anderen als Dasselbe nicht garantiert ist.“ Iveković hat die Beziehung zwischen dem scheinbar gültigen Abbild des Realen und einem nicht definierbaren, nicht repräsentierbaren Realen (Phelan nennt es „Unmarked“, das „Unbezeichnete“, „Unbemerkte“) mit performativen Praktiken untersucht und bearbeitet. Das gilt für ihre konzeptuellen Foto- und Textarbeiten ebenso wie für ihre Videos, ihre Videoinstallationen und logischerweise ihre Aktionen. Entscheidend dabei ist, dass die Künstlerin sich selbst, vornehmlich in ihren frühen Arbeiten, als Protagonistin ins Spiel bringt. Im Sinne eines stärkeren politischen Aktivismus tritt sie in den Arbeiten der letzten zwei Jahrzehnte als Darstellende oder als Abgebildete jedoch zunehmend in den Hintergrund. Es liegt in der Logik dieses künstlerischen Ansatzes, dass das symbolische, politische und soziale Feld, das Iveković uns vorführt, sich als geschlechtlich definiert, und dass das Verhältnis zwischen „Dem Mann“ und „Der Frau“ sich als asymmetrisch erweist. Iveković arbeitet mit Doppelstrategien. Sie nutzt das performative Potenzial der Massenmedien, der Magazine und Tageszeitungen, der Werbung, der „öffentlichen“ und − ganz entscheidend − auch der „privaten“ Fotografie, um ihre eigene Person als strukturelle Bezugsfigur im weiten Feld der Repräsentation ins Spiel zu bringen. Dies jedoch nicht mit der Absicht, hier ein „Gegenbild des Identischen“ zu setzen, sondern um die Fiktion auf beiden Seiten, dem „Öffentlichen“ und dem „Privaten“, vorzuführen. Iveković verfolgt „die Frau“ im weiten Raum der medialen Repräsentation, um mit der Methode ihrer „persönlichen Schnitte“ Leerstellen freizulegen, die der unter verschiedenen Vorzeichen diesen Raum durchquerende Signifikant „Frau“ ständig neu hervorbringt. Sie eignet sich die Bilder der Kosmetikwerbung (zum Beispiel „Double Life“, „Eight Tears“, „Diary“) und der Glamourindustrie („Tragedy of a Venus“, „Sweet Life“) ebenso an wie Zeitungsberichte über Kriminalfälle („Bitter Life“) oder über abgängige junge Mädchen wie in „The Black File“.
Die Arbeit „The Black File“ (1975–1978), die als Ausstellungsobjekt auch präsentiert wird wie eine Polizeiakte, konfrontiert auf einer Doppelseite jeweils eine alltägliche Suchmeldung in einer Tageszeitung, die Namen, Foto und eine Beschreibung eines vermissten Mädchens enthält, mit erotischen Magazinporträts von sehr jungen Mädchen, wobei die Bildunterschriften lediglich einen weiblichen Vornamen und das Alter (Stefania: 14 anni) angeben.

Silvia Eiblmayr ist Kunsthistorikerin, Autorin, Direktorin der Galerie im Taxispalais in Innsbruck und unter anderem Mitglied der internationalen Jury von „Kontakt – Die Kunstsammlung der Erste Bank-Gruppe“.

Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,April 2007



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